Der kulinarische Sommer auf Sardinien: mit Leichtigkeit durch die Wärme
von Nicole Raukamp - www.pecora-nera.eu
Im Sommer, bei anhaltender Hitze, weniger Aktivität und einer leichten Trägheit (zumindest bei vielen Nordeuropäern, die über 30 Grad nicht gewohnt sind) hält sich der große Hunger in Grenzen. Vielen reicht schon ein großer Teller mit verschiedenen Antipasti. Die schweren Pasta- und Brotgerichte des Winters weichen leichteren Varianten. Fisch und Fleisch wird von Einheimischen im Sommer noch gern zubereitet, allerdings wird auf große Beilagen verzichtet.
Im Sommer wachsen auf Sardinien: Gurken, Zucchini, Auberginen, Kartoffeln, Tomaten, Rucola und andere Salate - was sich in den Gerichten, die jetzt auf dem Speiseplan stehen, wieder spiegelt. Im Früchtekorb gibt es jetzt z. B. Melonen, Aprikosen, Pfirsiche, Äpfel, Birnen, Erdbeeren.
Wir haben uns mit der sardischen Sommerküche beschäftigt und ein paar Klassiker sowie frische, leichte Kochideen herausgesucht.
Antipasti di TerreAntipasto di Terra
Das Antipasto di Terra meint alles, was an Land (= it.: terra) wächst. Das beginnt bei gegrilltem, eingelegten Gemüse (wie Auberginen, Zucchini, Kartoffeln), das speziell in Südsardinien häufig als kaltes Antipasto serviert wird. Im privaten Umfeld werden auch eigene Tomaten sonnengetrocknet. Sehr angenehm bei Wärme sind auch Kleinigkeiten wie Olive a scabecciu (dazu werden Oliven in einer Mischung aus Wasser, Salz, Olivenöl, Essig, Knoblauch und Petersilie eingelegt) bis zu Kombinationen mit Früchten (Honigmelone mit luftgetrocknetem Schinken).
Letzteres ist nicht typisch sardisch und eigentlich auch nicht italienisch - auch wenn viele das Gericht wegen des verwendeten Parmaschinkens nach Norditalien verfrachten. Tatsächlich hat es seine Ursprünge im 2. Jahrhundert vor Christus in Griechenland und wurde von dem Heilkundler Galenos von Pergamon erfunden, der die Kombination aus süßer, wasserhaltiger Frucht und dem trockenen, salzigen Schinken als wohltuend und gesund für den Organismus empfahl.
Ein anderer Klassiker auf Sardinien ist natürlich der Antipasto-Mix mit verschiedenen Käse-, Salami- und Schinkensorten. Vor allem in Agriturismi mit eigener Produktion oder in ländlichen Gebieten bekommt man oft herausragende Qualität. Und zusammen mit dem leichten, dünnen pane carasau ein simpler Hochgenuss, und an sehr warmen Tagen durchaus ausreichend.
Im Restaurant musst du dich meistens entscheiden: Land oder Meer, und beides hat viel für sich. Wie so oft hat
man auf Sardinien die Qual der Wahl.
Antipasto di Mare
Zu den absoluten Top-Gerichten während des Sommers gehört "Polpo e patate", Tintenfisch und Kartoffeln. Es wird kalt gegessen und daher sind Qualitätsunterschiede unvermeidlich, denn Tintenfisch ist nicht ganz einfach zuzubereiten und viele machen es sich leicht und nehmen die bereits fertig zubereiteten Oktopussalat aus dem Kühlregal (der hat dann oft einen zu sauren Geschmack wegen der Konservierungsmittel). Schon besser ist der an der Käsetheke in manchem Supermarkt. Am besten ist natürlich die selbstgemachte Variante. Gutes Olivenöl und frische Zutaten sind ein Muss.
Tatsächlich isst man auf Sardinien manchmal sogar abseits der Küsten-Hotspots deutlich bessere "polpo e patate", als in so manchem Restaurant mit Meerblick. Einfach weil die Nonna wieder mal selbst gekocht hat oder Koch oder Köchin die Kartoffeln aus dem Garten genommen und den frisch gefangenen Tintenfischen beim Fischhöker auf dem Markt oder im nächsten Hafenort geholt hat.
Den "Insalata di Polpo" gibt es in südlichen Inselteilen auch noch in Varianten, z. B. mit Oliven, kleinen Kirschtomaten oder Stangensellerie, im Süden auch gern mit Kichererbsen.
Reis und leichte Pasta-Varianten
Für viele unerwartet in Italien, greift man im Sommer auch gern mal zu Reis. Reis ist schon lang fester Bestandteil der sardischen Küche, denn er wird in den Varianten Carnaroli und Arborio direkt auf der Insel, in den Feuchtgebieten rund um Oristano angebaut. Als "Riso in bianco" wird er ähnlich wie ein Risotto gekocht, nur nicht so aufwändig: einfach Reis, Wasser, Butter, Salz in einem Topf langsam kochen, abgießen und zum Schluss geriebenen Parmesan unterheben - fertig. Einige setzen zu Beginn noch einen Schuss Weißwein hinzu.
An sehr warmen Tagen bereitet man Reis auch gern als Salat zu: im bunten "Insalata di Riso" findet sich z. B. auch kleingeschnittenes Gemüse-Antipasto (eingelegte Tomaten, Auberginen, Zucchini, Artischocken etc.), Kapern, oder gelbe / rote Paprika, klein gewürfelt. Angemacht wird er am besten mit sehr gutem Olivenöl.
Pasta steht natürlich auch immer auf dem sardischen Speiseplan - wobei im Sommer eher die mit Muscheln, Fisch und frischen Tomatensaucen gewählt werden, als die schweren mit Fleisch Käse oder Sahne.
Ricotta ist ein wunderbarer, leichter Sattmacher, und so sind damit gefüllte Ravioli eine schöne, frische Sommeralternative. Ein Hit sind Ravioli, die mit Zitrusfrüchten kombiniert werden, z. B. mit einer Füllung aus Zitronen- oder Orangenricotta und manchmal sogar noch etwas Safran. Die bekommt man eher selten im Restaurant. Aber wenn noch irgendwo die Nonna (Oma) selbst kocht, dann hat sie die sicher im Programm - unbedingt zugreifen!
Wer tatsächlich im Sommer ungern Pasta isst, greift zu Zucchini-Blüten: gefüllt mit Ricotta und geriebener frischer Bottarga sind sie zwar etwas aufwändig in der Zubereitung, aber wirklich großartig für den kleinen Hunger.
Sardische Hauptgerichte mit Fisch
Wie bereits im Mai geht es im Sommer leicht und fischig zu. Eine frisch gefangene "Orata" (Dorade, Goldbrasse) oder "Spigola" (Wolfsbarsch) aus dem sardischen Meer ist mit einem frischen Salat als Beilage so einfach wie gut. Dazu der sardische Weißwein Vermentino - schon ist das perfekte mediterrane Sommeressen fertig.
Der Vermentino eignet sich aber nicht nur als Begleiter zu diversen Fischgerichten, sondern ist manchmal auch selbst Protagonist auf dem Teller: "Dentice al Vermentino con patate pomodori e olive" eine Zahnbrasse auf lauwarmen Kartoffeln, Tomaten und Oliven.
Wer ein bisschen mehr Hunger hat, greift zu "Fritto misto" oder "Frittura di pesce" - ein Teller mit in Teig ausgebackenem Fisch und Meeresfrüchten.
Ein seltenes, einfaches aber geschmacklich super interessantes Gericht sind "Gamberi al Filu 'e Ferru": Große Garnelen, die in der Pfanne oder im Wok mit Knoblauch, Petersilie und Pfeffer geröstet und zum Schluss mit einem kleinen Glas des sardischen Aquavit / Trester "Filu 'e Ferru" abgelöscht werden (noch ca. 2 Minuten nachkochen, bis der vordergründige Alkohol verflogen ist und nur das feine Aroma bleibt). Wer den Geschmack nicht so kräftig mag, findet Alternativen im Wein. Besonders gut geeignet sind der Malvasia di Bosa oder Vernaccia di Oristano.
Fleisch: reduziert und konzentriert
Der Klassiker, das "Porcetto sardo", das gegrillte Schweinchen wird natürlich auch immer angeboten. Nur auf Mirtozweigen angerichtet, ist es durchaus ein leichtes Abendessen, denn isst man nur das und ein wenig Antipasto, ist man garantiert satt, aber nicht überfressen. Das häufig dazu gereichte, rohe Gemüse (Karotten, Tomaten,
Fenchel) hilft dem Körper das Fett gut zu verdauen: Speziell der Fenchel füllt nicht, sondern bewirkt tatsächlich genau das Gegenteil und sorgt für Leichtigkeit.
Ein auf Sardinien sehr beliebtes Sommergericht - mitgebracht vermutlich von toskanischen Einwanderern - ist die "Tagliata di manzo", ein geschnittenes (= it. tagliare) Rindersteak, auf einem Bett aus Rucola und angerichtet.
Abseits der üblichen Touristenmenüs gibt es noch viel Hühnchen und Lamm, z. B. mit Kapern, Artischocken oder Oliven, oft mit dem Weißwein Vermentino gekocht.
Wir wünschen einen wunderschönen kulinarischen Sommer - ob auf Sardinien oder in der heimischen Küche!
Autorin: Nicole Raukamp, Sardinien-Blog www.pecora-nera.eu
Buon Appetito! von: Nicole Raukamp & Ossip Bachmann