A Fogu Lentu - langsam Kochen

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2018-07-28 11:17:00 / Rezepte / Kommentare 0
A Fogu Lentu - langsam Kochen - Slow food auf sardisch A Fogu Lentu - vom langsamen Kochen

A Fogu Lentu: Langsam kochen auf Sardisch

von Nicole Raukamp - www.pecora-nera.eu

Auf Sardinien nimmt man sich Zeit für vieles. Auch und vor allem für die Mahlzeiten. Langsam Kochen meint quasi das Zelebrieren und Wertschätzen des gesamten Vorgangs: vom rohen Produkt, das auf das alte Rezept der Region trifft bis zum Essen im Kreis der Familie. Im Medio Campidano, einer landwirtschaftlich geprägten Region im Süden Sardiniens, nennt man das »A Fogu Lentu«. Wörtlich würde man es mit »mit langsamem Feuer« übersetzen. Gemeint ist das langsame Kochen auf kleiner Flamme über Stunden. Aber auch der bewusste Umgang mit den Lebensmitteln. Eine Art Slow Food oder Slow Cooking, wenn man so will. Aber das ist noch längst nicht alles. Die Art, wie hier gekocht wird, ist ein aus der Antike hergebrachtes Lebensprinzip.

 »Das langsame Kochen »a fogu lento« charakterisiert das Leben in den kleinen Dörfern des Hinterlands. Eine Methode, ja fast eine Eigenart der Menschen, die von Landwirtschaft und Hirtentum lebten. Das langsame Kochen war quasi ein Ritus, der den Rhythmus des Tages vorgab.« Zeit hat man ja nie genug. Das wissen wir, wenn uns Job, Kinder und Verpflichtungen mal wieder auf Trab halten. Das war im alten Sardinien nicht anders – und genau genommen war das bis vor einigen Jahrzehnten hier Alltag.

Zeit zum Leben: Landwirtschaftlicher Alltag im Medio Campidano

Versetzen wir uns ein bisschen in der Zeit zurück. Wir sind in Gergei, einem kleinen Ort in einer weiten, flach-hügeligen und fruchtbaren Landschaft des Medio Campidano. Die Männer arbeiteten hier vorwiegend als Landwirte und Hirten. Die Frauen kümmerten sich um Haus, Hof, Kinder und Alte, gingen handwerklichen Tätigkeiten nach und waren für die Versorgung der Familie zuständig. Die ganze Familie arbeitete und die Arbeit determinierte das Leben. Von allen wurden auch weite Wege zurückgelegt, ob man nun die Schafe zu Fuß zu den zehn Kilometer entfernten Wiesen führte oder die Olivenhaine am Ortsrand bewirtschaftete und mit dem Esel die Körbe voller Oliven zum Weiterverarbeiten zur Mühle brachte. Für alles brauchte man vor allem eins: Zeit.

Das Leben spielte sich auch rund um das Essen ab: In der Woche waren die Mahlzeiten eher einfacher und häufig fleischlos. Gut haltbare Pasta wie Fregola wurde von Hand gefertigt, auVorrat produziert und bei Bedarf zubereitet.

»Su Prattu de Cassa« – ein Kochgerät aus uralten Zeiten  Am Sonntag Vormittag hingegen traf sich die ganze Familie – und dazu gehörten wirklich alle, die nur irgendwie miteinander verbandelt waren. Das bedeutete häufig große Tafelrunden und ein großes Menü. Also kochte man auf eine Art und Weise, die es den arbeitenden Familienmitgliedern erlaubte, in Ruhe ihren Beschäftigungen nachzugehen und trotzdem ohne großen Aufwand alle satt zu bekommen:

Nach den gemeinsamen Vorbereitungen wurden die Zutaten in »Su Prattu de Cassa«, einem speziellen, in der Form wok-ähnlichen Kupfertopf auf dem Feuer angeschmort, dann wurde der Topf mit einem gleich geformten Kupferdeckel verschlossen und die Flamme klein gedreht. Der Topf funktioniert am besten auf offener Flamme bzw. dem Gasherd. Wie Kupfer generell ist er etwas pflegeintensiv, aber hat den Vorteil, dass er die Aromen wunderbar im Inneren hält. Die Kochzeit richtete sich nach dem Produkt: Fregola brauchten natürlich weniger lang als ein ganzes Huhn oder ein Fisch. Generell kochte alles zwischen einer und drei Stunden. Aber es tat dem Geschmack absolut keinen Abbruch, wenn der Hirte eine halbe Stunde später heim kam. Nach der Hälfte der Zeit drehte man den Topf um und kochte auf der anderen Seite nochmal weiter. So wurde alles rundum gar und die Aromen verteilten sich gleichmäßig. Empfindliche Lebensmittel, die ihr Aroma oder ihren Geschmack beim Kochen verlieren (wie Basilikum oder Zucchiniblüten) werden oft erst zum Schluss hineingegeben. »Su Prattu de Cassa« wurde von einigen Hirten auch mit auf Wanderschaft mit der Herde genommen. »Sa Bertula«, eine Packtasche, die über einem Esel oder der Schulter des Hirten hing, bot Platz für alle möglichen Utensilien und haltbare Lebensmittel. Doch zurück an die Feuerstelle. Werfen wir endlich einen Blick in den Topf!

Langsam Kochen mit traditionellen Rezepten des Medio Campidano.

Was genau lässt sich denn nun mit diesem Topf anstellen? Grundsätzlich kann erstmal alles, was gebraten, Forellen und Fregolageschmort oder dampfgegart werden kann, auch »a fogu lentu« gekocht werden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hier einige typische Hauptgerichte aus dem Medio Campidano: Lamm aus Gergei, Kartoffeln, Knoblauch, wilde Disteln, Olivenöl Forellen aus dem Flumendosa bei Villanovatulo, mit Zucchiniblüten Täubchen (vom Jäger aus der Region) Wildschwein aus den Wäldern bei Nurallao, mariniert in Rotwein, Zwiebeln und frischen Kräutern der Region (jahreszeitenabhängig) Huhn aus dem eigenen Bestand, gefüllt mit einem Teig aus den eigenen Innereien, altem geriebenen Brot, getrockneten Tomaten, Öl, Ei und Safran Blumenkohl mit frischen Tomaten, Basilikum und Petersilie.

Was das Geheimnis der Qualität der Gerichte betrifft, so liegt dies neben dem Topf und dem langsamen Kochen vor allem in dem Grundsatz, der auf Sardinien noch vielfach gelebt wird: lokal / regional produzierte Erzeugnisse frische Kräuter saisonales Gemüse und Fleisch ohne Zusatzstoffe keine industriell gefertigten Lebensmittel ausschließlich Bioqualität (was sich hier von selbst ergibt, da auch die Landwirtschaft in den kleinen Orten Sardiniens zum Großteil biologischen Prinzipien folgt) Dieses „Kilometer-Null-Prinzip“ bedeutet: Hat man selbst keine Hühner, kauft man die Eier vom Bauern im Dorf. Das Wildschwein darf maximal im Nachbarort geschossen worden sein oder die Forelle aus dem nächstgelegenen Fluss kommen. Und so ist, wenn wir das Ganze nachkochen wollen, schon vorprogrammiert, dass es zwar auch gut schmecken wird, aber uns vielleicht die Qualität der Zutaten fehlt. Und, was ja viel fataler ist: In unserem Alltag fehlt das entspannte Lebensprinzip, das Zelebrieren der Mahlzeiten in der ganzen Familie und der gemeinsamen Zubereitung. Ja oft fehlt ganz einfach: Zeit. Auf Sardinien im Rhythmus der Zeit, die auf dem Land noch langsamer und entspannter läuft, ist das alles eben noch ein ganzes Stück besser. Das schreit doch nach dem nächsten Urlaub! Auf zu einer langsamen, kulinarischen Reise durchs Medio Campidano: Langsam kochen und genussvoll schlemmen!

 Buon Appetito


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